Was ist NMR-Spektroskopie?

Die Kernspinresonanzspektroskopie (NMR, Nuclear Magnetic Resonance) ist eine zentrale analytische Methode zur Untersuchung von Molekülstrukturen, Dynamik und intermolekularen Wechselwirkungen. Sie basiert darauf, dass Atomkerne mit einem von Null verschiedenen Kernspin in einem starken Magnetfeld definierte Energieniveaus bilden. Durch kurze Radiowellen-Impulse werden diese Kernspins angeregt; die Rückkehr ins Gleichgewicht erzeugt ein messbares Signal, das per Fourier-Transformation in ein NMR-Spektrum umgewandelt wird.

Die Resonanzfrequenz eines Kerns hängt empfindlich von seiner lokalen elektronischen Umgebung ab – dadurch lassen sich funktionelle Gruppen, Nachbarschaften und strukturelle Motive präzise unterscheiden. Moderne Spektrometer mit supraleitenden Magneten (300–900 MHz für 1H) ermöglichen hohe Empfindlichkeit und exzellente Auflösung.

Die NMR-Spektroskopie liefert ein außergewöhnlich breites Spektrum an strukturellen und dynamischen Informationen. Sie eignet sich besonders zur Bestimmung der räumlichen Struktur von Molekülen: chemische Verschiebungen, Kopplungsmuster sowie 2D/3D-Experimente wie COSY, HSQC, HMBC oder NOESY erlauben die Identifikation funktioneller Gruppen, die Zuordnung von Bindungsbeziehungen und die Analyse räumlicher Nähe. Dadurch können sowohl kleine Moleküle als auch Proteine direkt in Lösung detailliert strukturell charakterisiert werden.

Ein weiterer zentraler Einsatzbereich ist die Analyse molekularer Beweglichkeit und Dynamik. Relaxationszeiten (T1, T2), Austauschprozesse oder Konformationsänderungen geben Einblick in Flexibilität, Faltungszustände und interne Bewegungen eines Moleküls – oft in einem Zeitfenster, das anderen Methoden nicht zugänglich ist.

NMR ermöglicht darüber hinaus die Untersuchung intermolekularer Wechselwirkungen. Änderungen der chemischen Verschiebung, NOE-Kontakte oder titrationsbasierte Messungen erlauben die Identifikation von Bindungspartnern, das Mapping von Kontaktflächen sowie die Quantifizierung von Affinitäten. So lassen sich Protein–Ligand-, Protein–Protein- und Protein–Nukleinsäure-Komplexe präzise analysieren.

Schließlich eignet sich NMR hervorragend zur Charakterisierung komplexer Proben. Ohne vorherige Trennung können Komponenten identifiziert und quantifiziert werden – ideal für Stoffwechselanalysen, Naturstoffgemische, Reaktionsmonitoring oder Qualitätskontrollen. Die Messungen erfolgen dabei nicht-destruktiv und häufig in nativen Lösungen.

NMR am Institut für Chemie und Metabolomics

Am Standort Lübeck ist NMR eine Schlüsseltechnologie für:

Metabolomics & klinische Studien

  • Profiling von Serum-, Plasma- und anderen humanen Proben
  • Identifikation und Validierung potenzieller Biomarker

Metabolic Flux Analysen

  • Verfolgung markierter Metabolite in Zellmodellen
  • Verständnis von Stoffwechselwegen in Gesundheit und Krankheit

Protein- & Glycoprotein-Analytik

  • Untersuchung von Protein-Liganden-Interaktionen
  • Analyse von Glykanstrukturen und posttranslationalen Modifikationen

Methodenentwicklung

  • NMR-Methoden für Metabolomics
  • Auswertung großer Datensätze, statistische Modelle, Softwareentwicklung (z. B. Matlab-basierte Auswertepipelines)

Die Plattform wird sowohl für eigene Forschung (Biomedizin, Chemie, Metabolomics) als auch für Kooperationen mit klinischen und externen Partnern genutzt.

Eine detaillierte Beschreibung unserer Instrumente folgt im nächsten Abschnitt.

Ansprechpartner

Ashok Rout